
Es war ein heißer Sommertag und von überall erklangen Protest- oder Freudenschreie; denn im TV wurden die WM - Fußballspiele übertragen.
Fred saß – fern vom Joballtag – entspannt, nein nicht ganz – vorm Fernseher und verfolgte den Spielablauf. Der Dackel saß zu seinen Füßen und schnarchte leise vor sich hin.
Da läutete das Telefon – zur Unzeit natürlich.
Ich nahm den Hörer und verschwand in einen anderen Raum. Mama war dran. Sie klang traurig und kämpfte mit den Tränen. „ Perry ist tot! Seit Stunden schon liegt er steif in seiner Voliere. Könnt ihr bitte vorbeikommen und ihn bei euch im Garten begraben? Ich mag ihn nicht einfach so entsorgen; schließlich war er so viele Jahre unser kleiner Hausfreund!“
Perry war ein Eichhörnchen, das schon einige Jahre mehr am gestreiften Buckel zählte, als die Lebenserwartung, die man vorausgesagt hatte. Bei meiner Mutter erreichten alle Tiere – auch die, die noch folgten – ein Methusalem-Alter. Wie ihr das gelungen ist, weiß ich bis heute nicht.
In der Halbzeit fuhren wir zu ihr, um dort das Spiel weiter zu verfolgen. Es war Deutschland gegen ...das weiß ich heute nicht mehr.
Perry lag liebevoll eingbettet im Schuhkarton neben der Tür. Mama schnäuzte sich und wischte unentwegt ihre Tränen weg – ich nahm sie in den Arm und alle schwiegen, bis ein lautes „TOOOOOR!!!“ von meinem Mann, der sonst nie so temperamentvolle Schreie losbrüllte, die Stille durchbrach.
Plötzlich sprang der Deckel des Schuhkartons auf und Perry hüpfte quicklebendig aus seinem Todesbett.
Er war wohl auch Fußballfan.
Mama wurde noch blasser und sie bekam kaum Luft. Ich holte ihr ein Glas Sekt, damit sich ihr Blutdruck wieder stabilisierte. Kurz darauf brachte sie ihrem Auferstandenen sofort Stärkung und zum Nachtisch eine Kirsche; denn die mochte er so gern. Mehr gab sie ihm nicht, weil er nach deren Verzehr schon mal ziemlich angesäußelt war.
Ich kann mich nicht mehr an den Ausgang des Spieles erinnern, aber unsere Stimmung war heiter und die Wiedergeburt wurde noch begossen.
Foto und Text (C) Ingrid Bezold