Weihnachtsgedichte



Eine Weihnachtsgeschichte, die das Herz berührt



Günter berichtet über seine Erlebnisse Weihnachten 1945 - auf der Flucht.

Schmerzhafte Erinnerungen, die bis heute nicht vergessen sind.

Am 19. Juli 1945 mussten wir unsere Heimat, das Danziger Land verlassen. Meine Mutter, drei kleinere Schwestern und ich, - damals 14 Jahre alt. Mein Vater und meine älteste Schwester, 17 Jahre alt, sind beim Einmarsch der russischen Truppen im Februar 1945 ums Leben gekommen.
Unsere Flucht dauerte 9 Monate. Erst im März 1946 kamen wir in Söhlde, im Kreis Hildesheim, an.
Meine Schwestern, 5,9 und 11 Jahre alt, Mutter und ich, hatten damals in Söhlde eine neue Heimat gefunden.
Im August 1945 mussten wir die Flucht unterbrechen. Unsere Mutter war sehr angeschlagen und hatte durch den Verlust von Mann und Tochter und den Strapazen der Flucht Typhus bekommen und lag sechs Wochen in Meyenburg auf einer Isolierstation. Bei unseren Besuchen durften wir nur durchs Fenster schauen und winken.
Meyenburg war eine Kreisstadt in Mecklenburg - Vorpommern mit nur 5000 Einwohnern. Im Rathaus hatte die rote Armee ihre Kommandantur, die uns auf einem Bauernhof ein Zimmer mit Kochnische zuwies. Ich kümmerte mich so gut es ging um meine Schwestern. Manchmal habe ich gebettelt oder aufgesammelt, was auf den Feldern wuchs. Von der Kommandantur wurden meistens nur Brot und Kartoffeln zum Verkauf genehmigt.
Im September kam unsere Mutter aus dem Krankenhaus, allerdings noch sehr geschwächt. Ich fand Arbeit auf einem Bauernhof; die Arbeitszeit war von morgens 5:30 Uhr bis abends 18:00 Uhr. Die Herbstbestellung der Felder war abgeschlossen, es ging in den Wald. Zum Bauernhof gehörte auch ein großes Stück Nadelwald. Der Bauer und ich gingen morgens in den Wald, holzten Bäume ab und brachten sie am Abend mit dem Pferdegespann auf den Hof.
Dort wurde es klein gesägt und zerhackt.
Ein Paar Tage vor Weihnachten nahm mich der Bauer mit auf den Dachboden. Ganz oben im Giebel, mit Brettern vernagelt, holten wir eine alte, graue Holztruhe aus einem Versteck, die dem gefallenen Schwiegersohn gehörte. In der Truhe befanden sich eine Extra - Uniform als Leutnant, Leibwäsche und einige persönliche Dinge.
Heilig Abend wurden meine Mutter, meine 3 Schwestern und ich zu einer kleinen Weihnachtsfeier eingeladen. Es gab Gebäck und etwas zu trinken. Jeder von uns bekam auch ein kleines Geschenk.
Meine jüngste Schwester Anneliese bekam zwei Liter Milch. Helga, die 9 -jährige, eine kleine Leberwurst und Hannelore ein gebackenes Brot. Meine Mutter bekam aus der Truhe einen warmen, grauen Soldatenschal und ich ein paar graue Wollsocken.
Ich durfte mir so viel Holz nehmen, wie wir brauchten, damit wir in dem strengen Winter nicht frieren mussten. Wir haben uns über die Geschenke gefreut, aber auch gemeinsam geweint, - haben doch beide Familien Angehörige im Krieg verloren.
Wenn mich heute jemand fragt, was ich in den letzten drei Jahren zum Weihnachtsfest bekommen habe, muss ich sagen, ich weiß es nicht. Was ich Weihnachten 1945 bekommen habe, werde ich aber nie vergessen.

Gelesen: 385   
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AUTOR:

Liebe Freunde der Poesie,
Schreiben, Malen und Fotografieren sind drei meiner vielen Hobbys. In diesem Forum könnt ihr 750 Gedichte von mir lesen. Ich schreibe über Geschehnisse im Alltag, über Urlaubserinnerungen und hoffe mit Denkanstößen aufrütteln zu können. Wer die Geschichte von Eduard verfolgen möchte, ist hier genau richtig. Inzwischen umfasst die Geschichte über 40 Teile.
Wenn ihr etwas tiefer in meine Welt eintauchen möchtet, besucht mich auf meiner Homepage.

Mit lieben Grüßen, Gudrun Nagel-Wiemer


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2 KOMMENTARE



19. Dezember 2019 @ 22:10

Schön, dass Du Günters Erinnerungen aufgeschrieben hast, liebe Gudrun.
Liebe Grüße von Daniela


22. Dezember 2019 @ 07:47

Eine Geschichte, die nachdenklich stimmt. Daniela, ich habe Günter immer als tollen Geschichtenerzähler erlebt. Für uns gar nicht mehr vorstellbar, Weihnachten so zu verbringen. Ich hoffe, dass es so bleibt. Mit diesen Wünschen gehe ich ins Jahr 2020.



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