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Am grünen Hügel



Am grünen Hügel

* Festspielhaus Bayreuth *

 

 

Anfang der 80er Jahre….

 

Jedes Jahr im Juli beginnen die Wagner – Festspiele in Bayreuth.

Damals war es schwierig, eine Karte zu ergattern.

Mein Chef und seine Frau waren als eingefleischte Wagnerianer* priviligiert und besuchten alle Opern, die auf dem Plan standen.

Mein bester Freund war einer der Sänger und zuweilen ließ er mir eine Karte zukommen. So ergab es sich, dass ich mit Herrn Heilmann und seiner Gattin nach Bayreuth fahren konnte.

Ich will die Leser nicht mit Details der Aufführung langweilen, aber eine kleine Anekdote erzählen, die sich im Vorfeld ereignet hat.

 

Hier hole ich euch ab, wenn ihr möchtet:

 

Es ist 16 Uhr und die Sonne knallt immer noch unbarmherzig ins Auto.

Klimaanlage gibt es nicht. Herr Heilmann sitzt im T-Shirt schwitzend am Steuer und seine Frau schleudert ständig mit einem Fächer Luft durch den Innenraum. Die Fenster dürfen nicht geöffnet werden, weil das Haarspray nicht, wie versprochen 24 Stunden für Haltbarkeit garantiert.

Die beiden kennen eine schattige Ecke vor Ort, in der wir uns umkleiden und erfrischen können. Abendrobe ist Vorschrift. Ein besonderes Ereignis sollte sich auch schmücken lassen, finde ich.

Vor dem Festspielhaus befinden sich Menschenschlangen, die mit Schildern um Karten bitten. Keine Chance. Vielleicht zu Wucherpreien…

Mir fällt auf, dass sich einige hochbetagte Frauen Samtschleifen ins Haar drapiert und in Rüschenkleider, die nach Motten riechen gezwängt haben. Ihre Gesichter hell gepudert und die Lippen kirschrot geschminkt versuchen sie, aufrecht den Sitzplatz zu erreichen.

Etliche Promis aus Politik und Fernsehen, auch Sängerkollegen, die heute nicht auf der Bühne stehen, flanieren an uns vorbei.

 

Herr Heilmann hat mit mir die Karte getauscht, damit wir Frauen nebeneinander sitzen können.

Frau H. Ist sehr schlank und ihr silbrig glänzendes Abendkleid passt gut zu ihrem Typ. Ein kleines Problem ist das Dekollete´. Da fehlt es an Volumen. Einfallsreich wie sie ist, hat sie sich Pads in den BH gestopft und somit für Schadensbegrenzung gesorgt.

Die Akustik in diesem Haus ist sehr gut. Der Orchestergraben ist unsichtbar für das Publikum, damit es sich voll auf die Oper konzentrieren kann und nicht von einzelnen Instrumenten abgelenkt wird.

Die Reihen sind besetzt und es wird ruhig. Ein leises Raunen und Hüsteln ist noch zu vernehmen. In Bayreuth erklingt kein Gong zum Beginn der Oper; denn eine Viertelstunde vor Beginn ertönt eine Fanfare der Pausenmusiker vom Balkon des Hauses.

 

In der Reihe vor uns sitzen vier junge Männer, die sich noch immer unterhalten. Frau Heilmann´s Unmut ist nicht zu übersehen; denn jeden Moment beginnt die Ouvertüre.

Forsch beugt sie sich nach Vorne, klopft einem der „Banausen“ auf die Schulter und bittet lautstark um Ruhe. Just in diesem Moment fallen zwei der Pads aus dem Ausschnitt . Die anderen kleben auf ihrer Haut. Ich versuche noch, den Flug anzuhalten, aber die Einlagen landen schon auf dem Revers des Mannes. Der prustet los und reicht es ihr laut schallend zurück.

Gleichzeitig beginnt das Orchester mit der Ouvertüre zum „Fliegenden Holländer“.

Frau H. ordnet im Dunkeln ihr Dekollete´erneut und lehnt sich entspannt zurück.

In der Pause werden wir dann zusammen mit den Vordermännern ein Glas Sekt auf den grünen und andere Hügel trinken.

 

*

Foto Festspielhaus Pixabay und eigenes (C) Ingrid Bezold

Text (C) Ingrid Bezold

 

 

* Wagnerianer: Liebhaber der Musik von Richard Wagner, die sich mitunter auch austauschen und gute Kontakte zur Festspielleitung und den Sängern halten.

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Mein schönstes Gedicht
ich schrieb es nicht
aus tiefsten Tiefen stieg es
ich schwieg es

Mascha Kaleko


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4 KOMMENTARE



29. Juli 2025 @ 13:47

Ingrid eine leicht zu lesende kleine , lustige Geschichte.
Oper ist nicht mein Ding, Klassische Musik schon.
LG
Ewald


29. Juli 2025 @ 15:21

Oper muss man nicht mögen- Wagner schon gar nicht, Ewald.
Wenn mir mein Sänger 2 Karten ( eine Rarität) für die Festspiele geschenkt hat, ist mein Exmann nur mit, damit ich nicht alleine übernachte;-)) Den 1. Akt von Tristan und Isolde hat er schnarchend überlebt. Neben uns saßen Ridderbusch und Q. Jones , die an einem anderen Tag sangen. Das war mir peinlich und ich schlug meinem Mann vor, nach der Pause zum Italiener zu gehen und dort einen schönen Abend zu verbringen. So hatten wir beide Spaß. Na ja, diese Oper war auch nicht so meine......


28. Juli 2025 @ 20:00

Eine peinliche Geschichte, aber lustig....Gern gelesen und gut geschrieben, Ingrid. Gruß, Gudrun


28. Juli 2025 @ 22:14


Wagner - Opern sind ja schwere Kost, da war dieser lustige Part ein herrlicher Ausgleich ( sie hat es dann auch mit Humor gesehn). Die Männer waren alles andere als Banausen. Zwei davon Sänger, einer Intendant eines großen Opernhauses und einer Kritiker.
So kann es gehen...
Danke Gudrun. Ich schau mir jetzt einen Film an, den ich schon mal im Kino gesehen habe ( meine Stunden mit Leo).
Grüße Ingrid




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