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Das Verhör der Klägerin

Teil 1 Das Verhör

Tiefe Stille herrscht im Saale,
oben eine Kamera,
vorne sitzen weise Richter,
mittig schweige ich fürwahr.
Anwälte zu beiden Seiten,
Blackout habe ich, was nun?
Und ich fühle meine Schmerzen
im Verhör ich muss was tun.

Also zeigen meine Hände,
was mein Mund nicht sagen kann.
Langsam kämpfe ich behände
an die Worte mich heran.
Blackouts im Minutentakte,
die Erinnerung ausgeleert,
ach, wie mein Gehirn versagte,
alt war ich und nichts mehr wert.

Endlich lösen sich die Worte
aus der zugeschnürten Kehl´
und bekümmert sieht der Richter
wie ich mich damit abquäl´.
Freie Rede muss ich halten,
keiner sagt mir das vorher,
darf die Mappe nicht entfalten
und so weiß ich gar nichts mehr.

In die Stille spricht der Richter,
ein paar Fragen stellt er mir.
Dafür bin ich ihm sehr dankbar;
eine Antwort weiß ich hier.
Rechts von mir die Gegner lachen,
obgleich es nicht lustig war.
Lieber wär ich fortgelaufen,
doch die Klägerin bleibt da.

Schaue ich zu meinem Anwalt,
was macht er für ein Gesicht?
Jetzt muss ich die Kurve kriegen,
sonst verlier ich bei Gericht.
Fragt der Richter von der Seite:
„Seid da oben ihr verrückt?“
Hochdeutsch, überlegt, die Antwort
gebe ich und das genügt.

Von dem Sessel in der Mitte
ohne Tisch, den ich ertrug,
darf ich heben mich und zeigen,
wie die Chefin mich einst schlug.
Aber dann muss ich zur Seite
setzen mich zum Anwalt noch,
leider ist der Sitz zu niedrig
und der Tisch ist viel zu hoch.

Meine Mappe kann nicht halten
meine linke Hand in Gips.
Oh, wie soll ich das gestalten?
Eingegipst mein ganzer Grips.
Wörter lass ich in mich schaufeln,
die ich selbst gar nie gekannt,
auffällig ist mein Verhalten,
und der Richter schaut gespannt.

Während Zeugen mich angreifen,
muss ich halten meinen Mund.
Wie soll sich die Wahrheit weisen?
Übel geht es mir zur Stund´.
Was soll ich darüber reden?
Lass´ mich führen vom Senat,
und vergönnt er mir mein Leben,
ist es wohl der beste Rat.

Rau und ruppig war die Chefin,
die mich schlug und degradiert,
grau und struppig die Kollegin,
die mich mobbt und ausradiert.
Fristlos wurde ich entlassen,
ausgenützt und schikaniert,
schlecht bezahlt, geschimpft in Massen,
traurig war ich und brüskiert.

Schrieb einst ich in der Verzweiflung
wundersame SMS,
lobt der Richter meine Leistung,
rezitiert sie bravourös.
Hochdeutsch wie im Burgtheater
klingt es im Verhandlungssaal,
dreifach donnernde Rakete,
fast so wie im Karneval.

Stundenlang von Augenpaaren
fokussiert und respektiert,
dem begegne ich erfahren,
bibelfest mein Herz geführt.
Als die nächste Zeugin leugnet
und der Richter mich anschaut,
hochgradig sensibel beuge
ich mich vor mit Gänsehaut.

Endlich macht der Richter Pause,
doch mein Kopf erholt sich nicht,
und ich spüre die Migräne,
in den Augen schmerzt das Licht.
Und schon geht es wieder weiter,
ausgeschlagen ein Vergleich.
Nach der Herkunft fragt der Leiter:
Ja, ich bin aus Österreich.

Dass die Wahrheit ich hier sage,
muss er glauben einfach so,
und ich glaube, dass mein Richter
mir vertraut und ich bin froh.
Vor der Türe muss ich warten
auf das Urteil, den Beschluss,
während sich geheim beraten
die drei Richter ganz am Schluss.

So sehr wurde ich verunglimpft
vor dem erkennenden Senat,
verkannt, verleumdet, bloßgestellt,
wie ein Verwirrter einer Tat.
Wie die Zeugen übertrieben,
unterstellten mir Geschrei,
ruhig war ich doch geblieben,
handelte in Notwehr scheu.

Will den Anwalt gerne bitten,
um ein schönes Plädoyer,
doch er will mich gar nicht hören,
dreht sich weg, das tut mir weh.
Muss mich darüber nicht wundern,
leugneten doch alle strikt
deren Taten, deren Worte,
glaubwürdig und recht geschickt.

Gewinne ich? Hab ich verloren?
Alles war mir jetzt egal.
Warum ward ich nur geboren?
Und mein Anwalt war aus Stahl.
Was vernehmen meine Ohren,
was der Gegenanwalt spricht?
„Liebe Zeugen, fährt nach Hause.“
Warum bleiben sie denn nicht?

Vater unser, schau herunter,
gib mir Hoffnung, Mut und Kraft,
und dann werde ich gerufen,
und ich habe es geschafft.
Doch dann kann ich nicht mehr laufen,
schriftlich geht das Urteil ab,
muss mir Schokolade kaufen,
als ich keine Kraft mehr hab.


Teil 2 Nach dem Verhör

Mitleid hab ich mit mir selber,
von den Zeugen irritiert,
fühle mich als Angeklagte
gedemütigt, traumatisiert.
Frag mich durch dann bis zum Bahnhof,
freundlich zeigt man mir den Weg,
achte auf die Leute um mich,
wundere mich, dass ich noch leb.

Endlich fährt der Zug nach Hause,
mit den Schülern und mit mir,
eingequetscht in deren Mitte,
fühle ich mich sicher hier.
Bin enttäuscht von allen Zeugen,
vom Beklagten noch viel mehr,
sollte sich bei mir verbeugen,
sich entschuldigen der Herr.

Während Zeugen er verhörte,
räumte mir der Richter ein,
hier die Wahrheit aufzuklären,
sprachlos war ich wie ein Stein.
Ärgern kann ich mich darüber,
dauernd denke ich daran,
doch der Zug ist abgefahren,
oh mein Gott, was ist dein Plan?

Aufgedrückt mir tausend Lügen
auf mein Auge, auf mein Herz,
alles ließ ich mir gefallen,
wie ein Osterlamm im März.
Soll ich mich darüber kränken?
Hab im Schock nicht reagiert,
alle Lügen abzulenken,
darum ist es so passiert.

Ehe ich nach Hause komme,
schau am Friedhof ich vorbei,
dort besuch´ ich meine Liebsten,
und mich trösten alle drei.
Doch dann will ich nur noch schweigen,
wie ein Opfer muss und kann,
will Enttäuschung niemand zeigen,
zünde eine Kerze an.

Bald erwacht ein neuer Morgen,
und der Himmel strahlt in Blau,
neben mir auf meinem Polster
schnurrt die Katze Miezemau,
drückt ihr Köpfchen auf die Wange
schnuppert, ob ich Tränen wein´,
spricht in zarten Miautönen,
ich soll nicht so traurig sein.


Teil 3 Das Urteil

Wochenlang nach der Verhandlung
kommt per Brief das Urteil an.
Viele Seiten Protokolle
lese ich dann Stunden lang.
Bibelfest hab ich gewonnen,
ja, mir glaubte der Senat,
hab ersehntes Recht bekommen,
halleluja, ging das glatt.

Eine völlig neue Story
legten Zeugen auf den Tisch,
abgesprochen und beeinflusst,
fremd für mich und heimtückisch.
Das ist nun die neue Wahrheit
frei nach Zeugen-Fantasie.
So, jetzt hat alles Klarheit
aus dem Drehbuch der Magie.

Warten muss ich wieder bange
bis vorbei die Einspruchsfrist,
und inzwischen sag ich danke,
meinem Leser, der das liest.
Geht der Gegner in Berufung,
soll es doch sein Schicksal sein.
Nein, ich glaube, die Versuchung
geht der Gegner nicht mehr ein.

Weinen muss ich nie mehr wieder,
alles Mobbing ist vorbei,
böse Worte ring ich nieder,
hochdeutsch, überlegt und frei.
Glücklich kann ich weiterleben
seit ich wieder wertvoll bin,
wohl vergönnt mir Recht gegeben,
hat mein Leben wieder Sinn.

Danken will ich für die Arbeit,
die gelungen am Gericht,
danken meinem Rechtsvertreter,
dafür schreib ich mein Gedicht.
Nur die Wahrheit mag ich schreiben,
so kam es zur Wende,
Recht ist Recht und muss es bleiben,
und das Urteil zählt am Ende.





(c) Vera-Regina

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