In meiner Nachbarschaft gab es ein Altenheim und im Sommer, bei offenen Türen und Fenstern hörte ich oft die fröhlichen Lieder, die bis hin zu mir erklangen.
Eines Tages beschloß ich, den Senioren zweimal im Monat Geschichten vorzulesen. Das gefiel den alten Leuten und es bereitete mir Freude, ihnen ein wenig Abwechslung in ihren Alltag zu bringen. Nach einiger Zeit bemerkte ich bei meinen Besuchen, dass die Damen sich hübsch anzogen und ihren Schmuck trugen, als gingen sie aus.
Angehörige, die beruflich stark engagiert waren, sprachen mich an,ob ich ihre Mutter von Zeit zu Zeit besuchen könnte.
So leistete ich einer 90jährigen, gebildeten Dame desöfteren Gesellschaft. Sie hörte gerne Klavierkonzerte, die sie danach bei einer Zigarette und ein - oder zwei - oder drei Glas Sherry besprechen wollte. Es sah nicht schön aus, wenn zwischen ihren zitternden, knochigen Fingern immer wieder die Asche daneben fiel, zumal sie in anderen Bereichen eine Ästhetin war. Sie verfügte über einen erlesenen Geschmack und nahm auch mich kritisch unter die Lupe. Ich hatte Glück. Es gab selten Beanstandungen - mit zwei Ausnahmen: Sie hätte gerne Schmuck an mir gesehen, aber den trug ich höchst selten. Und meine dunklen Lidschatten mochte sie gar nicht - aber da ließ ich mir nichts einreden - mir gefiel´s.
An einem Freitag, als ich wenig Zeit und die Handwerker in meiner Wohnung hatte, bat mich ihr Sohn, sie aufzusuchen. Ungern verließ ich meine Baustelle.
Ich erklärte ihr dann, warum ich nicht lange bleiben konnte und so verabschiedete sie mich kurz darauf mit den Worten: "Ich freue mich schon auf Montag".
Am Wochenende kam meine Freundin aus München, um einige Tage in Franken zu verbringen. Als wir beim Frühstück saßen, kam der Anruf. Frau K. war verstorben.
Eine Abschiedsfeier im Heim war für 17 Uhr angesagt. Schweren Herzens ging ich dort hin.
Sie lag im offenen Sarg. Ein Auge ließ sich nicht mehr vollständig schließen und es schien, als zwinkerte sie dem Pfarrer, der auch ihr Freund war und ihr Laster - das Rauchen - erwähnte, zu.
Mit traurigen Gedanken ging ich nach Hause. Wir saßen beim Essen, als ein jammerndes Geräusch zu hören war. " Das ist Frau K., die sich von Dir verabschieden will", so meine Freundin. Ich dachte erst, die Geräusche kämen von draußen, aber als das Jaulen immer lauter und ungeduldiger wurde, sah ich vor meiner Türe nach. Ich öffnete, und eine pechschwarze Katze huschte herein, schmiegte sich an meine Beine und schnurrte, als wäre ich ihre Katzenmama. Als sie mich nicht mehr los ließ, versuchte meine Freundin, sie wegzutragen. Die Katze fuhr ihre Krallen aus und fauchte "krrrrrr" sie zornig an. Nach langem Bemühen gelang es mir, sie vor die Türe zu setzen und von innen abzuschließen.
Am nächsten Tag erfuhr ich, dass dieselbe Katze während der Aussegnung dicht neben dem Sarg lag und niemand sie dazu bewegen konnte, diesen Platz zu verlassen. Ich selbst habe nichts von Allem mitbekommen, da ich in den hinteren Reihen stand.
Ich frage mich heute noch, wie die Katze zu mir in die 3. (letzte) Etage gekommen ist, obwohl sie noch nie bei mir war, und wer sie ins Haus gelassen hat.
Niemand hatte sie zuvor oder danach in unserer Umgebung gesehen.
War es vielleicht doch Frau K., die mir einen letzten Gruß schicken wollte?