Ihr Herz hämmert im Stakkato, als wolle es sich aus dem drückenden Korsett ihres Brustkorbs befreien.
Sie schluckt hart.
Die Scheinwerfer grinsen ihr grell entgegen.
Anonyme Augenpaare blicken erwartungsvoll zu ihr hinauf.
Bis auf vereinzeltes Hüsteln ist kein Laut zu hören.
Sekunden verstreichen ... werden zu Minuten ... Stunden ... einer Ewigkeit.
Da, der erste Ton!
Sie holt zitternd Luft und beginnt zu singen, erst unsicher und defensiv, emotionsfrei, auf Sicherheit setzend, um es bloß nicht zu vermasseln. Schließlich ist das hier ihre Riesenchance!
Doch plötzlich bricht etwas in ihr auf.
Ein Tsunami der Gefühle überrollt sie und verändert den Klang ihrer Stimme. Aus tiefster Seele entlassen, stürmt sie aus ihrer Kehle, streichelt leidenschaftlich ihre Haut und schwingt sich anschwellend steil zur Decke empor, um dann wie ein unsichtbarer Kokon auf die Schöpfe der Zuhörer hinabzusinken.
Die Melodie lässt ihren Körper vibrieren und federleicht über die Bühne tanzen.
Ihr scheint, als würde allein die Macht der Musik sie tragen.
Nun gehört die Bühne ihr! Für dreieinhalb Minuten ist sie der Star ...
Die Zeit ist um. Viel zu schnell. Endgültig. Stille. Schwereloser Raum, der sich ins Unendliche ausdehnt.
Erschöpft und atemlos blickt sie auf das Publikum hinunter.
Die Gesichter verschwimmen vor ihren Augen, werden zu einem einzigen teintgetünchten Klumpen ...
Applaus keimt auf und entfaltet sich explosionsartig.
Jubelnd zieht er sie von den Füßen, leiht ihr seine fragilen Flügel und so gleitet sie davon, aus der Halle hinaus, durch die Stadt, bis zum nahegelegenen Wald, über Wiesen, Felder, Hügel, Täler.
Weiter, immer weiter, bis von ihr nichts mehr zu sehen ist ...
© DiAna